Dr. Gröschel im Einsatz auf den Philippinen

Erlebnisse, die das Herz brechen

Artikel vom Samstag, den 11.04.2015, original erschienen unter: http://www.morgenweb.de/region/mannheimer-morgen/metropolregion/erlebnisse-die-das-herz-brechen-1.2191893

Vulkanische Landschaften, Palmenplantagen und Bananenstauden: Was nach tropischem Urlaubsparadies klingt, war für sechs Wochen der Arbeitsplatz von Uta-Verena Gröschel. Die Allgemeinmedizinerin aus Eppelheim, die in Brühl bei Schwetzingen in einer Gemeinschaftspraxis arbeitet, war auf Mindanao, der zweitgrößten Insel auf den Philippinen für die Nicht-Regierungsorganisation German Doctors im Einsatz. Die 52-Jährige erfüllte sich damit einen langgehegten Wunsch. "Ein paar Bedenken gab es nach den Nachrichten über Terrorattacken und Entführungen von Touristen schon. Aber ich wollte das unbedingt machen, jetzt, wo meine beiden Kinder alt genug sind." Zur Absicherung ließ sie sich beim Auswärtigen Amt registrieren.

Bereits die Fahrt zum Einsatzort im Norden Mindanaos ist ein Abenteuer. Im Aircon Bus geht es neun Stunden über Schotterpisten nach Cagayan de Oro. Die ersten beiden Wochen arbeitet Gröschel dort im German Doctors Hospital - eher eine Ambulanz als ein Krankenhaus. Stationäre Patienten gibt es nicht, aber dafür lernt Gröschel jede Menge Lebensgeschichten kennen. Zum Beispiel die von Razel, einem acht Jahre alten Mädchen, das mit ihrem Onkel kommt. Sie hatte sich beim Spielen mit einem Metall am Gehörgang verletzt. Später stellte sich heraus, dass am Morgen ihre Mutter gestorben war. "Sie war total ernst, was hier eher ungewöhnlich ist. Es brach mir fast das Herz. Zu Hause gab es noch drei kleine Geschwister, der Vater trank offenbar. Ich habe ihr Gummibärchen gegeben, die Hand auf die Schulter gelegt. Mehr kann man in so einer Situation nicht machen." Den seelischen Schmerz, "sakit" heißt er im örtlichen Dialekt Visayan, kann Gröschel dem Mädchen nicht nehmen.

Dafür lernt Gröschel etwas Wichtiges über ihren Beruf. "Es geht da oft um viel mehr als medizinische Hilfe." Und sie erfährt etwas über die Kultur, die Menschen und Rituale auf Mindanao: "Der Leichnam der Mutter lag neun Tage einbalsamiert im Haus. Am ersten Tag haben alle geweint. Ab dem zweiten Tag wurde gegessen und getrunken und ab dem dritten Tag gefeiert und gelacht. Ein Brauch erlaubt, dass sich die Verwandten in dieser Zeit zum Glücksspiel treffen, was sonst verboten ist."

Nach zwei Wochen in Cagayan geht es für Gröschel weiter mit der "Rolling Clinic", einer Klinik auf Rädern, ins Landesinnere nach Kadingilan. Was sie bei den Einsätzen vor Ort erlebt, überrascht sie. Es gibt ganze Dörfer ohne Wasserversorgung. Extreme Hauterkrankungen, Abszesse und Knochenentzündungen sind Folgen der schlechten hygienischen Bedingungen. Egal wo Gröschel hinkommt, trifft sie auf große Dankbarkeit und Gastfreundlichkeit. An ihrem Geburtstag gibt es in einem Dorf sogar Kuchen "Die glücklichen Gesichter der Kinder, als sie um ein Stück Kuchen anstanden, werden mir unvergesslich bleiben. Für manche war es das erste Stück Kuchen ihres Lebens und das ganze Rathaus hat mir ein Ständchen gesungen!" Am Abend nimmt sie Teil am "nationalen Volkssport", singt Karaoke.

Gröschel will etwas zurückgeben. In sogenannten "Health-Lectures" vermittelt sie Alltagstipps für ein gesünderes Leben, spricht über Hygiene, Familienplanung oder Zahnpflege. Aber manchmal ist Gröschel auch machtlos. Zwei völlig unterernährte Kinder will sie in die Klinik schicken. Doch nur einem kann sie helfen, die andere Mutter weigert sich. Ein paar Tage später besucht sie den Jungen im Krankenhaus. Er springt bereits wieder wild herum. "Da liefen bei mir schon ein paar Tränen", gibt Gröschel zu. Und eines steht für die Medizinerin fest: "Ich komme auf jeden Fall wieder!"


German Doctors

German Doctors e.V. ist eine international tätige Nichtregierungs-organisation, die Ärzte in Projekte auf den Philippinen, in Indien, Bangladesch, Kenia, Sierra Leone und Nicaragua entsendet. Die Ärzte arbeiten in ihrem Jahresurlaub oder im Ruhestand für einen Zeitraum von 6 Wochen und verzichten dabei auf jegliche Vergütung.

German Doctors arbeitet basismedizinisch und setzt sich für die Prävention von Erkrankungen ein. Sie kümmern sich um die Bekämpfung von Armutserkrankungen wie der Tuberkulose oder Tropenkrankheiten wie Malaria. Seit 1983 gab es über 6400 Einsätze mit mehr als 3000 Medizinern. 2014 wurden in den aktuell neun Projekten 316 Einsätze geleistet.


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