Verena Gröschel in Kalkutta

Verena Gröschel ist „Wiederholungstäterin": Zweimal schon hat die Allgemeinmedizinerin aus Eppelheim medizinische Hilfe in den Elendsvierteln von Mindanao auf den Philippinen gearbeitet. Jetzt reiste sie nach Kalkutta, ebenfalls im Auftrag der Hilfsorganisation „German Doctors". Ihre Bilanz: „Kalkutta ist schlimmer". Die Umweltverschmutzung ist enorm, vielerorts schlafen die Menschen auf den Straßen, überall liegen Müllberge herum. „Wo die Touristen nach Indien kommen, ist es nicht ganz so katastrophal. Aber nach Kalkutta kommen nicht viele Touristen", sagt sie.
Die Leidenschaft für Hilfe in den Elendsregionen der Welt ist tief verwurzelt in der Familie. Ehemann Joachim Gröschel, Anästhesist in der BG Klinik in Ludwigshafen, engagiert sich für die gemeinnützige Hilfsorganisation Interplast in Malawi und hat gerade zwei Wochen in dem ostafrikanischen Land verbracht. Und Tochter Sandra wandelt ebenfalls auf den Spuren der Eltern, leistet ein freiwilliges soziales Jahr in Ruanda ab und hilft Straßenkindern.
Für Verena Gröschel bedeutet die sechswöchige Hilfe auch ein finanzielles Engagement: Zu zwei Wochen Urlaub bezahlt sie ihre vierwöchige Vertretung in der Gemeinschaftspraxis in Brühl. Nur die Hälfte des Flugtickets übernimmt der Verein. Es gibt keine Spesen oder Aufwandsentschädigungen. Die „Entlohnung": unentgeltliche medizinische Arbeit unter anstrengenden Rahmenbedingungen. Und Einblicke in Not, Armut und Elend.
40 Patienten am Tag
Verena Gröschel arbeitete mit fünf Einsatzärzten in den fünf Ambulanzen, die German Doctors dort betreibt. „Zehn Menschen in einem 20 Quadratmeter großen Raum – das fordert eine gewaltige Konzentration", sagt sie.
Im Schnitt behandelte die Eppelheimerin 40 Patienten am Tag und hatte mit der ganzen Bandbreite von Armutserkrankungen zu tun: Hautpilze und Rachitis, eine Knochenerweichung, unter der schon Kinder leiden und die zu lebenslangen Behinderungen führen können. Der Mangel an Vitamin D sei offensichtlich, „und das in einem der sonnenreichsten Länder der Erde, wo es das Vitamin quasi kostenlos gibt." Fensterlose Elendsunterkünfte verhindern die Bildung des überlebenswichtigen Vitamins. Die Ursache ist aber zum Teil durch die Vollverschleierung der muslimischen Frauen verursacht.
Killerkrankheit Nummer eins ist die Tuberkulose, begünstigt durch die vielen Menschen, die auf engstem Raum miteinander leben. Die Heilungsquote liegt bei 80 Prozent – wenn die Therapie durchgehalten wird. Verena Gröschel behandelte einen 70 Jahre alten Patienten, der gerade mal 28 Kilo wog und seit 20 Jahren an Tuberkulose leidet. „Am schlimmsten aber ist es, wenn Kinder sterben", sinniert die Ärztin. Und dies an Krankheiten, deren Behandlung in Deutschland medizinisch kein Problem mehr darstellt.
Aber warum tut sich jemand solches Elend überhaupt an? Es ist die Dankbarkeit der Menschen – auch für kleine Dinge", erzählt Gröschel mit leuchtenden Augen. „Ich habe einer Frau eine Decke geschenkt. Die hat sich noch eine Woche später mit dicken Umarmungen bei mir bedankt", freut sie sich. Es war nicht der letzte Hilfseinsatz für sie. „In zwei Jahren fahr' ich wieder. Wohin, weiß ich noch nicht."
Ebenfalls voller Eindrücke vom ehrenamtlichen Hilfseinsatz in Malawi ist ihr Ehemann Joachim Gröschel. Er reiste für die Hilfsorganisation Interplast im Team mit der OP-Pflegerin Angelika Möhrer und Anästhesiepfleger Martin Stasius, beide Kollegen der BG Klinik, sowie Chefärztin Cornelia Leszinski aus dem St Vincentius Krankenhaus Speyer nach Afrika. In zwei Wochen stemmten sie 81 Operationen an 75 Patienten. Eine Frau, die erst vor vier Tagen entbunden hatte, litt unter großen Bauchschmerzen. In einer Notoperation entfernte das Team ihren hochentzündeten Blinddarm.
Im September will Gröschel wieder nach Malawi: „Ich bin ein richtiger Interplast-Junkie geworden", grinst er. „Es macht Spaß, hier eine nachhaltige Struktur für medizinische Hilfe mit aufbauen zu können."


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