Ihr Biss ebnet Krankeiten den Weg
Zecken Blutsauger übertragen Viren und Bakterien / Grund zu Hysterie besteht laut dem Brühler Internist Dr. Axel Sutter und dem Brühler Veterinär Gerd Kühn aber nicht.
Die Gemeinde Brühl gehört, wie der gesamte Rhein-Neckar-Kreis bei den Zecken ganz klar zu den Risikogebieten", sagt Dr. Anne Kühn. Und sie muss es wissen, denn sie ist im Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises für Infektionsschutz und übertragbare Krankheiten zuständig. Zecken hinterlassen bei Mensch und Hund nicht nur entzündete Bissstellen, sondern immer wieder auch gefährliche Krankheitserreger, so ist Kühn Expertin auf diesem Gebiet.
Und ihr Fazit ist eindeutig: Bundesweit sind die meldepflichtigen Erkrankungen durch Zeckenbisse auf dem Vormarsch. Für den Rhein-Neckar-Kreis pendeln die Zahlen stark. Bislang wurden für dieses Jahr vier Fälle der schweren Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) gemeldet, die in der Klinik behandelt werden mussten, sagt Kühn. Dieses Gesundheitsrisiko besteht, weil die Tiere beim Blutsaugen Erreger einer speziellen Form der Hirnhautentzündung übertragen können.
Im Vorjahr war das in vier Fällen so, davor gab es mehrere Jahre mit nur einem Fall. 2013 infizierten sich acht Menschen im Kreis derart, dass sie behandelt werden mussten. "Die Dunkelziffer ist allerdings höher, denn nicht jede FSME-Erkrankung endet im Krankenhaus, oft wirkt sich das Virus nur wie eine leichte Sommergrippe aus", so Kühn.
Möglichst schnell entfernen
Der Brühler Internist Dr. Axel Sutter kann sich nur an zwei schwere Fälle in seiner Praxis in den bislang 28 Dienstjahren in der Hufeisengemeinde erinnern. "Es besteht also kein Grund zur Hysterie, aber man darf die Zecken auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn neben der FSME können durch Zeckenbisse auch Borreliose-Erreger übertragen werden.
Die Gruppe der Borreliose-Erkrankungen wird durch bewegliche, schraubenförmige Bakterien hervorgerufen. Die Borrelien befinden sich im Darm der Zecken und werden nicht durch den Einstich in die Haut übertragen, "vielmehr findet die Borreliose-Übertragung erst gegen Ende der Blutmahlzeit statt", erklärt Sutter auf Nachfrage unserer Zeitung.
Denn erst wenn die Zecke nach einigen Stunden satt sei, würge sie etwas Mageninhalt in die Wunde des Opfers, und mit ihm das Bakterium. "Deshalb sollte eine Zecke so schnell wie möglich aus der Haut entfernt werden, um eine Infektion zu vermeiden", rät Sutter.
Und so behandelt er mit seinen Kollegen in seiner Gemeinschaftspraxis zwei bis drei Patienten pro Woche, die nach einem Zeckenbiss zu ihm kommen, weil sie den Blutsauger nicht komplett entfernen konnten oder sich die Wunde entzündet hat. "Bei einer Borreliose kommt es zu einer typischen ringförmigen Hautrötung", erklärt er. Dann wird mit Antibiotika behandelt, doch in den meisten Fällen könne er die Patienten beruhigen, weil sie nicht infiziert sind.
Dennoch sind sich beide Mediziner einig: Vorsorglich wegen FSME impfen lassen, sollten sich alle Menschen die viel im Freien arbeiten, darüber hinaus alle, "die ein modernes Leben führen". Viele Freizeitaktivitäten führten dazu, dass sich Mensch und Zecke öfter treffen - etwa in den Rheinauen.
Doch auch wer sich im eigenen Garten aufhält oder eine Runde mit dem Hund Gassi geht, kann sich eine Zecke und damit womöglich Virus oder Bakterium einfangen. Die Impfung zahlt in Baden-Württemberg als Risikogebiet übrigens die Krankenkasse.
Aber nicht nur Menschen leiden unter den Zecken, auch die Haustiere. Insbesondere Hunde werden oft von Zecken befallen. Doch auch da sind die Zeckenfolgeerkrankungen eher selten, weiß der Brühler Veterinär Gerd Kühn (Bild: Kühn). Maximal zehn Tiere müssten pro Saison behandelt werden. Dabei spielt FSME übrigens keine Rolle, dafür aber neben der Borreliose auch Anaplasmose und inzwischen häufiger die Ehrlichiose. Einige der durch Zecken ausgelösten Krankheiten können chronisch werden, das Immun- und Nervensystem des Hundes schädigen und sogar tödlich enden.
"Vorbeugung ist bei Zeckenkrankheiten daher das A und O", sagt der Tierarzt. Geeignet seien Mittel, die auf die Haut der Hunde aufgetragen werden. Viele Hundehalter schwören bei der Zeckenabwehr aber auch auf Bernsteinketten oder auf Kokosöl, die darin enthaltene Laurinsäure scheint auf Parasiten unattraktiv zu wirken. Allerdings ist die Wirkung wissenschaftlich nicht nachgewiesen, betont Kühn. Katzen seien wenig zeckenanfällig, doch könnten sie die Blutsauger als Taxi in die Wohnung bringen, wo sie dann Menschen befallen können. ras
Schutz vor Zecken
Beim Spazierengehen sollte man Unterholz und hohes Gras meiden und auf festen Wegen bleiben.
Es ist empfehlenswert, helle Kleidung zu tragen. Darauf lassen sich Zecken leichter entdecken.
Entdeckte Zecken so schnell wie möglich mit einer Pinzette oder besser noch einer speziellen Zeckenzange oder -karte entfernen.
Sie darf dabei nicht zerquetscht werden. Sonst besteht die Gefahr, dass mit Erregern infizierter Speichel schneller übertragen wird.
Die Zecke darf nicht, wie manchmal empfohlen, mit Nagellack, Klebstoff oder Öl bedeckt werden. Solche Maßnahmen helfen nicht.
Oral eingenommene Bierhefe scheint eine Wirkung zu haben, denn Zecken mögen den Geruch der enthaltenen B-Vitamine nicht.
Insektenmittel und äthertische Öle wie Thymian, Oregano, Wacholder, Grapefruit, Myrrhe, Rosenholz und andere bieten durch ihren Geruch für einige Stunden einen gewissen Schutz. Der ist aber nicht hundertprozentig nachgewiesen.
Ralf Strauch - Schwetzinger Zeitung vom 5.7.2017